Hallo zusammen! Ich bin heute zum Törggelen eingeladen. Das ist die sogenannte 5. Jahreszeit hier in Südtirol. Warum Sie das auch einmal im Leben gemacht haben sollten, das verrate ich Ihnen jetzt.
Ich unternehme eine Wanderung, ups… einen Rundflug über den "Keschtnweg" (Kastanien-Weg) im Eisacktal. Am Waldboden liegen sie haufenweise, umhüllt von einer stacheligen Schale und zum traditionellen Törggelemenü gehören sie unbedingt dazu, die Kastanien. Gleich kommen wir zu einem "Buschenschank". So werden die Lokalitäten genannt, in die man zum Törggelen einkehrt. Wenn Sie sich jetzt fragen, was genau ist Törggelen? Diese Frage habe ich mir auch gestellt und habe mich informiert.
Das Wort „Törggelen“ stammt aus der lateinischen Sprache. Es bedeutet „torquere“, das heißt so viel wie „pressen“ oder „drehen“. Die Verwandtschaft mit dem Südtiroler Ausdruck für eine Weinpresse ist: die "Torgg(e)l", eine Traubenpresse im Kelterraum. Keltern bezeichnet das Pressen von Weintrauben oder anderen Früchten, die meist in kleingemachter Form als Braugemisch die Herstellung des Saftes sehr erleichtern. Wird Wein gekeltert, dann spricht man noch heute bei der Weingewinnung von „Keltern“.
Während der Törggelezeit ist das Ergebnis beim Keltern der Most der blauen Trauben, der erst zu gären beginnt und heißt "Suser". Der neue Wein entsteht zu einem späteren Zeitpunkt und heißt der "Nuie". In Deutschland wird dieser Traubensaft "Federroter" oder "Federweißer" (Most des Weißweins) genannt. Die beiden Südtiroler Traubensäfte werden noch im Jahr der Produktion getrunken, sind sehr süffig und süß und verfügen über einen Alkoholgehalt von höchstens einem Prozent. Sie sind das A und O bei einer richtigen und traditionellen Südtiroler Törggelemahlzeit. Zu den gebratenen Kastanien schmeckt der noch süße Most besonders gut.
Das Törggelen ist ein uralter Südtiroler Brauch und findet seinen Ursprung im Eisacktal. Die Bauern bedankten sich nach der anstrengenden Erntezeit bei ihren Erntehelfern, indem sie ihnen ein schönes Festmahl kredenzten. Dabei wurden sehr deftige Speisen aufgetischt wie z.B. Schlutzkrapfen (Teigtaschen mit Spinat und Topfen Füllung), Gerstensuppe, Schlachtplatte (Sauerkraut mit geselchtem Fleisch und Hauswurst). Als Nachspeise gab es Krapfen in allen Variationen, eine Süßspeise, gefüllt mit verschiedenen Marmeladen, Mohn oder Kastanienpüree. Und natürlich gab es gebratene Kastanien. Mit dem Vergehen der Jahre verlegten die Weinbauern die Weinverkostungen, die früher im übelriechenden Keller erfolgten, ins Haus in ihre gemütliche Stube.
Der Wirt im Buschenschank erwartet uns bereits, wo es eine kleine Führung gibt, denn alle Produkte werden am Hof selbst produziert oder zubereitet. Wir werfen einen Blick in den Speckkeller, kommen an frischen Hauswürsten vorbei, schlendern durch den Weinkeller und bekommen die hauseigene Brennerei erklärt. Sogar das Brot wird im Holzofen selbst gebacken. Und daneben werden frische, angeritzte Kastanien in einer Art Trommel gebraten.
In der Stube ist bereits eingedeckt. Es gibt einige Gänge und los geht’s mit leckerem Speck und einer warmen Gerstensuppe. Danach gibt es "Kartofflblattlen" mit Sauerkraut und einer Schlachtplatte. Spätestens nach diesem Schmaus bin ich schon richtig satt, aber es gibt noch Dessert: gefüllte Krapfen und Kastanien. Ich platze gleich, aber zumindest habe ich endlich mal meine Neugier gestillt.
In Südtirol ist Törggelen eine sehr gesellige Angelegenheit. Die Zeit im Herbst wird zum Anlass genommen, sich mit guten Freunden zu treffen oder die Familie zusammen zu trommeln. Von Oktober bis zum Beginn der Vorweihnachtszeit wird diese spezielle Zeit sei es von Einheimischen, als auch von Gästen in vollen Zügen genossen. Haben Sie‘s schon mal ausprobiert? Noch nie? Na dann, auf geht’s zum Törggelen!
Euer George