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Bella Italia! Endlich sind wir wieder unterwegs im Land der edlen Weine, endlosen Bergpässe und verrosteten Leitplanken. Ursprünglich um Porsche GT3 Touring und Carrera T miteinander zu vergleichen, offerieren uns die Berge zwischen Meran, Bozen und Trient weitaus größere Möglichkeiten. Gampenpass, Monte Bondone und Largo di Garda laden ein, 70 Jahre Sportwagenbau bei Porsche gebührend zu feiern. Ein Fazit gibt es am Ende keines, und wenn hat es nicht zwangsläufig mit Autos zu tun.
Zu Gast bei Freunden
Richtig Sportwagen zu fahren, das heißt auch immer die Kultur drum‘ herum zu genießen. Ganz nach Manier und Neudefinition der Grand Tour, geht es eben nicht alleinig ums Heizen, Quertreiben und Kurvenfahren. Freilich steht auch das schnelle und gekonnte bedienen eines Porsche 911 irgendwo im Mittelpunkt unserer Reise; beginnen wollen wir jedoch in der Nähe von Meran, bei Matthias Laimer und seinem Hotel Hanswirt. Einmal sollte man hier gewesen sein, hegt man eine Leidenschaft für stilvolles Wohnen, gutes Essen und viele Pferdestärken. Der Hausherr selbst ist begeisterter Motorsportler, kennt die umliegenden Bergstraßen wie seine Westentasche und bietet in seinem exklusiven 4-Sterne-S Domizil allerbeste Voraussetzungen für ausgedehnte Passfahrten.
964 Ex-Carrera mit ordentlich Dampf
So startet auch unsere Bergtour in gleicher Weise vom Hotel Hanswirt aus, über Lana hinauf auf den Gampenpass. Mit dabei: hochkarätige Vertreter aus der Baureihe Porsche 911 und ganz besonders die Modelle GT3 RS, GT2 RS und 964 (RS). Sie alle verkörpern – auf ihre ganz eigene Weise – 70 Jahre Motorsport(kultur) in Perfektion. Es ist der Älteste im Bunde, der gleichzeitig am radikalsten daherkommt. Der in Südtirol beheimatete 964 „Ex-Carrera“ ist nichts für zartbesaitete Cayenne-Fahrer, sondern im Kern ein waschechter Rennwagen. Ohne elektronische Fangleinen und ohne ABS – dafür aber mit 200 Zeller Kat, Michelin Cup 2 Bereifung und vollgetankt rund 1.080 Kilogramm Leergewicht ist er nur für einen Zweck gemacht: zum Fahren! Ein paar PS mehr (um genau zu sein sind es 348) leistet der Boxer dabei ebenfalls, wie uns Robert Sikkens von RSR911 bei einem Zwischenstopp in Sarnonico verrät. Der italienische Porsche-Spezialist kennt den puristischen, auf RS-Technik umgerüsteten, 964 in- und auswendig und war maßgeblich am Umbau beteiligt.
Für Porsche begeisterte Südtirol-Urlauber ist der Stopp in Sikkens Werkstatt eigentlich ein Pflichtprogramm, zeigt der Tuner und Restaurator nicht nur gekonnt wie eine ordentliche Werkstatt auszusehen hat, sondern ist zudem offen für erfrischende Benzingespräche. Es gehört zur italienischen Gastfreundlichkeit, dass nach einem kurzen Stelldichein ein Espresso gereicht wird und man schnell die Zeit aus den Augen verliert. Wir wollen allerdings noch ein wenig weiter, kassieren den Mendelpass ein und jagen hinunter nach Trient, um die Auffahrt zum Monte Bondone zu beginnen. Spätestens hier offenbaren sich die Qualitäten des wendigen Carrera Touring, den wir höchst selbst den Berg hinauf kutschieren. Selbstredend handgerissen, mit weniger Gewicht und daher beinahe selbstverständlich ohne Radio.
Nicht zu unterschätzen: der neue 911 Carrera T
Die Musik, sie wird gespielt vom doppelt aufgeladenen 6-Zylinder-Boxer mit drei Litern Hubraum, flatout und hart gen 7.000 U/min drehend. Sieben manuelle Gänge stehen zur Auswahl, wovon wir am Berg nur die Gänge zwei, drei und vier im ständigen Wechsel bedienen. Bei einem Porsche drei Pedale im Einklang mit Antrieb und Straße zu koordinieren – es gibt wohl kaum etwas Schöneres. Wobei: das aufs My genaue 6-Gang-Menü des GT3 Touring wäre da noch eine Spur feiner, denn oben raus – das müssen wir sagen – bleiben sieben Gänge eine hakelige Angelegenheit. Der Carrera T klebt mit seinen P Zero’s förmlich auf der Straße, das serienmäßige PASM-Fahrwerk macht ihn zum freudalen Brett und dank Quersperre samt Torque Vectoring lenkt der Touring Elfer eine ganze Spur agiler ein als ein normaler Carrera und giert förmlich danach, in die nächste Kurve geworfen zu werden.
Erstaunlich ist in jenen Momenten am Berg, wie sehr sich der neue 911 T an den Rest der Gruppe heranzoomt, nicht locker lässt und obwohl „nur“ 370 PS und 450 Nm Drehmoment an Bord selbst dem knackigen und 520 PS starken GT3 RS am Heck zu kleben scheint. Erst vor dem bärigen GT2 RS muss er vollends das Käppchen ziehen, pulverisieren die 700 PS und 750 Newtonmetern Drehoment des Über-Porsche einfach alles und jeden. Der nächste Tunnel kommt bestimmt und die vor uns fahrenden GT-Fahrzeuge verwandeln die Röhre zu einem erweiterten Klangkörper. Es schreit, es kracht, der Lärm bei heruntergelassenen Scheiben – ohrenbetäubend! Es sind Augenblicke, in denen das Herz eines Petrolheads aufgeht und du den Motorsport bei Porsche beileibe zu spüren bekommst.
9.000 U/min im Porsche GT3 Touring
Dagegen wirkt der mitreisende GT3 Touring beinahe brav und zivilisiert, lässt er es im Bedarfsfall gleichwohl ordentlich krachen. Wen kümmert der doppelte Turbo im GT2 RS, wenn man seinen eigenen Motor bis hoch auf 9.000 (!) Umdrehungen jagen kann? Die weiter oben erwähnte Handschaltung des Touring GT3 klickt von einen in nächsten Gang exakt wie ein Uhrwerk, die in Pepita-Stoff bezogenen Teilschalen passen wie angegossen und auf dem GT-Lenkrad finden wir glücklicherweise nicht einen störenden Knopf. Was wir im GT3 allerdings sehr wohl finden: puristische und damit pure Fahrfreude, die im Normalfall keinen Motorsportfreund kalt lässt.
Vorbei am Gardasee geht es von Ville del Monte über Ponte Arche zum malerisch gelegenen Lago die Molveno. Sportwagen und Fahrer haben erneut eine Pause verdient, die abkühlenden Motoren knistern derweil in der warmen Abendsonne. Viel fehlt nicht um Südtirol in diesen Stunden den Titel „Driver’s Heaven“ zu verleihen. Vor allem dann wenn man jemanden kennt, der die Strecken kennt. Nur wenige Kilometer entfernt reihen sich die Autos in langen Staus aneinander, hier oben kannst du im Zweifel auch mitten auf der Straße halten – und es interessiert niemanden. Einmal mehr zurück über den Gampenpass in Richtung Lana wartet das traditionelle Südtiroler Törggelen auf die Besatzungen und vielleicht ein wenig besserer Sprit – als das traurige Super-Normalbenzin vieler italienischer Kleinsttankstellen – auf die Porsche.
70 Jahre Porsche und kein bisschen Müde
Mit Blick gen Osten, weit hinein bis nach Bozen und auf die Ausläufer der Dolomiten, neigt sich ein mehr als gelungenes Benzinspektakel dem Ende zu. Das perfekte Wetter, es wird nur noch durch den gut temperierten G’spritzen getoppt und der Tatsache, dass wir hier nicht zum lezten Mal unsere Runden gedreht haben. Es würde unzählige Seiten füllen jeden der mitgefahrenen Porsche im Detail zu beleuchten und so einigen wir uns am Ende auf eine generelle Bestandsaufnahme: Porsche fahren, es ist auch 70 Jahre nach dem der erste 356 zugelassen wurde etwas Besonderes. Vor allem innerhalb der Baureihe 911 hat jeder Wagen seine Stärken und Schwächen – so wie fast alles im Leben. In Südtirol hingegen schaust du über viele Ecken und Kanten hinweg, lässt schnell alle Fünfe‘ gerade sein, genießt La Dolce Vita und freust dich wenn sich die #OnePorscheFamily zur Ausfahrt trifft.
Bilder: Patrick Schwienbacher + Lydia Sölva (Asphaltleben)
Text: Thomas Vogelhuber